Ein Deutschlernender aus dem arabischen Raum begrüßt seine Prüfer in einer Sprachprüfung im südlichen Bayern mit einem fröhlichen „Servus“. Die Stimmung entwickelt sich darauf hin nicht wie erwartet positiv. Die Prüfer sind etwas konsterniert. Sie weisen den Prüfling deutlich darauf hin, dass ein „Servus“ nicht die richtige Begrüßung bei einem offiziellen Anlass ist. Der Teilnehmer ist nervös, was sich ungünstig auf den Verlauf der Prüfung auswirkt.

Diesen Vorfall schilderte mir eine Kollegin, die ihn wiederum direkt von besagtem Teilnehmer erzählt bekam.

Natürlich ist es unmöglich, eine Situation zu beurteilen, die man selbst nicht erlebt hat. Waren die Prüfer wirklich so verärgert, wie es der Prüfling empfand? Hätten sie souveräner reagieren können und den Teilnehmer erst nach der Prüfung auf seine ungünstige Wortwahl hinweisen können? Müßig, darüber zu diskutieren.

Diese Geschichte zeigt aber, dass Varietäten der deutschen Standardsprache wie Dialekte, Regiolekte sowie Regionalsprachen einen Platz im Unterricht verdient haben. Denn das, was die meisten Kursteilnehmer im Unterricht lernen, ist nicht die Alltagssprache, die sie in ihrem Umfeld hören.

Varietäten sind Teil der Kultur

Dafür sind Lernende sehr sensibel. Oft wünschen sie sich mehr Einblicke in die besonderen Regeln der Varietäten, die man in ihrer Region verwendet. Einfach, weil es die Kommunikation erleichtert. Auch in der Fachliteratur wird dieses Thema seit den 1970er-Jahren diskutiert, allerdings unter einem weiteren Aspekt: Sprachvarietäten machen einen Teil der Kultur aus. Wer also den Lernenden diese Varietäten vermittelt, sensibilisiert sie auch interkulturell.

Wie aber kann das konkret im Unterricht funktionieren? Lehrwerke orientieren sich zu Recht an der Standardsprache, da sie überregional verwendet werden. Es ist auch weder sinnvoll noch praktikabel, tief in einen vorherrschenden Dialekt einzusteigen und diesen zu vermitteln.

Aber wie das Beispiel eingangs zeigt: Es ist auf jeden Fall hilfreich, unterschiedliche regionale Begrüßungsformeln und deren situativen Gebrauch im Unterricht zu behandeln. Denn eine Begrüßung bestimmt den ersten Eindruck und ist deswegen so wichtig für ein Gespräch. Ähnliches gilt für Verabschiedungen.

Eine gute Möglichkeit, Varietäten und ihre Besonderheiten zu entdecken, sind Kurzfilme, Serien und Songs. Das macht es Lehrenden leichter, denn schließlich beherrscht nicht jede/r Lehrende den Dia- oder Regiolekt seiner Region. Für jede Region in Deutschland lässt sich hier etwas finden. Denn Dialekte oder Regiolekte sind wieder gefragt und geschätzt, insbesondere bei der jüngeren Generation.

Wenn man die Möglichkeit hat, kann man auch einmal einen Sprecher einer regionalen Varietät in den Unterricht einladen. Ein kleiner, aber möglicherweise wirkungsvoller Beitrag zur interkulturellen Verständigung … 😉